Vor dem ersten Kaffee

Heute war wieder so ein Tag, an dem mich jemand vor meinem ersten morgendlichen Kaffee ansprach und mir auch noch schwierige Fragen stellte. Der Paketbote wollte wissen, ob ich ein Paket annehmen würde. Im normalen Zustand hätte ich gedacht: Au fein, ein gratis Ostergeschenk, und hätte ihm gesagt, er müsse auch keine Karte einwerfen. Und ich wäre aus dem Schneider, müsste keine Geschenke mehr kaufen, könnte das Paket einfach weiterverschenken. Und zack, Geld gespart.

Aber mit noch halb geschlossenen Augenlidern und einem mäßigen Kater von gestern spürte ich nichts als akuten Coffeinmangel und überlegte wohl zu lange, jedenfalls meldete sich der Nachbar über die Sprechanlage, öffnete die Haustür, die ich gerade vor dem Paketboten verschlossen hatte, weil meine Sichtweite durch blendendes Tageslicht eben nicht weiter als bis zu meiner Fußspitze ging. ( Das Hinunterschauen ging einigermaßen, geradeaus in den Tag hinein konnte ich nicht mal blinzeln.)

Als ich mich darauf besann, dass ich mich gerade auf den Weg zur Arbeit gemacht hatte, obwohl ich heute zu Hause hätte stattfinden sollen, von wegen schichtfrei, war ich mit einem Schlag hellwach und stürzte plötzlich putzmunter wieder die Treppe hinauf, meinem ersten Kaffee des Tages entgegen.

Blogstory (01) Der Kaffeebohnenkiller

Der Kaffeebohnenkiller

Anne bestellte sich Tee. Ausgerechnet meine Cousine Anne. Das verblüffte mich, denn sie war mir als leidenschaftliche Kaffeetrinkerin in Erinnerung geblieben, als wir uns letztes Jahr auf der Familienfeier nach langer Zeit mal wieder begegnet waren. Nun saßen wir hier im Café, um die Überraschungsparty für ihre Mutter, meine Tante Edeltraut zu planen, mit der wir alle sie zu ihrem vierzigsten Geburtstag überraschen wollten. „Kaffee trinke ich nur, wenn ich in bessere Stimmung kommen will, oder um den Kopf frei zu kriegen“, erklärte sie mir auf meine entsprechende Frage hin. Das liege bestimmt am Koffein, vermutete ich und staunte erneut, als sie verneinte.

„Wenn ich Sorgen und Probleme, schlechte Laune habe oder einfach mies drauf bin, kippe ich all diese üblen Gedanken in eine Tasse, verbrühe sie mit heißem Wasser und jage sie durch meinen Verdauungstrakt“, hörte ich sie sagen und sah sie offenen Mundes an.

„Das ist kein Witz, oder?“, fragte ich. Anne lächelte.

„Auf diese Weise werde ich sie dann los, du ahnst sicher wie sie meinen Körper dann verlassen und wo sie landen…“

„In der Kanalisation, nicht wahr?“ Ich wollte weder das SCH-Wort noch ähnliche Ausdrücke in den Mund nehmen.

„Solltest du auch mal probieren! Man fühlt sich hinterher echt positiver und kann sich wieder auf das Hier und Jetzt konzentrieren…auf die wirklich wichtigen Dinge.“ Das funktioniere im Übrigen nur, wenn man Kaffee selbst koche, ergänzte Anne noch, wegen dem Aufbrühen.

Sie nippte an ihrem Tee, den der Ober inzwischen gebracht hatte.

„Hm, dann war ich wohl gestern total mies drauf und extrem schlecht gelaunt“, entgegnete ich.

Sie sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an, eine Erklärung erwartend.

„Es war ein grausames Gemetzel. Aber es tut mir nicht leid.“, sagte ich nur und ließ Anne noch einige Sekunden länger rätseln.

„Angenehmer Kaffeegeruch breitete sich aus, als ich gestern die Tüte mit den ganzen Bohnen öffnete – das war nach dem, was du sagst, dann wohl der letzte tiefe Atemzug all der Sorgen, Fragen und Probleme, die mich bis dahin noch beschäftigt hatten, bevor sie dann ihren Geist aufgaben“, fuhr ich schließlich fort. Anne lächelte und nickte. „Das ist durchaus denkbar.“

Gestern hatte ich mir nämlich nicht nur zwei Tassen Kaffee selbst aufgebrüht, sondern meine Sorgen und Probleme in Gestalt der Kaffeebohnen vorher in der elektrischen Kaffeemühle auch noch bestialisch zerschreddert.  ©Woanders Mitesser