
Die Grundidee des Filmes ist eigentlich nicht neu, deren Art der Umsetzung diesmal allerdings umstritten: Ein Mann übersteht seine schwere Kindheit mehr schlecht als recht, trägt psychische Folgen davon und trifft auf fiese, kriminelle und ihn verachtende Mitmenschen. Dieses Dauermobbing gipfelt im Jobverlust und in der Erfahrung, dass er als Verlierer selbst von Zeitgenossen, zu denen er aufschaut, verhöhnt und verspottet wird – in aller Öffentlichkeit. Also läuft irgendwann das Fass über … Soweit, so einleuchtend. Sein nun beginnender Feldzug der Rache läuft natürlich nicht gewaltfrei ab – was auch in der Vorankündigung des Kinostarts in Deutschland klar publiziert wurde. Umso verwunderlicher scheint (mir) die Diskussion, die dieser Streifen nun auslöst. Oh Wunder: Da wird ja rohe Gewalt gezeigt!
Kritiker linker und rechter politischer Gesinnung mokieren und ereifern sich darüber, dass diese Gewaltszenen zu schrecklich und obszön ausfallen und sprechen von Aufwiegelung und Aufruf zur Revolution. Die Botschaft des Filmes laute, so erklären sie empört, Verlierer und Arme, bringt die Reichen um! Was für ein himmelschreiender Quatsch. Bereits in hunderten Ballerspielen töten Kinder am Computer alles, was sich ihnen in den virtuellen Weg stellt. Das Blut spritzt nur so von innen an den Monitor. Niemand dieser plötzlichen Retter der Menschheit, die sich nun schützend vor die Reichen werfen, hat dazu etwas zu sagen gehabt. Scheinheiliger geht es nicht.


Hinzu kommt, dass der Film seinen Tiefgang und seine Tragik nicht nur aus der Folge der Ereignisse zieht, die dem Haupthelden widerfahren, sondern, das gerade die stumpfe Gewalt – und übrigens auch jene, die ihm selbst widerfährt – die Tragik und die Dramatik enorm unterstreicht. Eine Demo, die in einem Film vorkommt, egal, wer der Stein ihres Anstoßes war, ist ebenfalls ein legitimes Stilmittel künstlerischer Ausdrucksweise. Nicht zu Unrecht hat der Film nach drei Wochen im amerikanischen Kino bereits über 800Mio Dollar eingespielt. Hauptdarsteller Joaquin Phoenix liefert eine oscarreife Leistung. Das dankbare Drehbuch lässt den Zuschauer auch dermaßen dicht an die Figur heran, die er spielt, dass man ihn und seine Beweggründe gut zu verstehen glaubt. Der Film muss ab 18 sein, muss um der Glaubhaftigkeit willen schockieren und auf weichgespülte oder schnelle Schnitte verzichten. Und das ist gelungen. Wer Gewalt auf der Leinwand nicht aushält, nicht mag oder verabscheut, sollte vorher genauer lesen, in welchen Film er sich da begibt. Vielleicht spielt er ja stattdessen lieber ein Ballerspiel an der PS4 mit seinen schulpflichtigen Kindern.